Das Sühnekreuz
Es begab sich vor Zeiten, dass ein junger Jägersmann beim Gute Rammelburg tätig war. Gern durchstreifte er die Wiesen und Wälder, schritt durch Täler und über Höhen. Oft trällerte er ein frohes Lied dabei. So kam er auch über die Klaus ins Einetal. Dort traf er ein junges Mädchen, welches Futter von den Wiesen holte. Man begrüßte sich, man blickte sich an und…
Anderntags begab er sich erneut über die Klaus in das Tal der Eine und wieder traf er dort ein junges Mädchen mit einem Korb und einer Sichel. Es war aber nicht die Jungfrau vom Tage vorher. Auch diese Maid war beim Holen von Futter. Man begrüßte einander, wechselte einige Worte, man schaut sich in die Augen und…..
Beide Mädchen waren bis über beide Ohren in den jungen Grünrock verliebt. Sie kannten sich beide, obwohl die eine aus Volkmannrode, die andere aus Rödichen (Rödgen?) war. Die Eine erzählte von dem jungen Förster. Die Andere erschrak und stieß die Worte aus: "Das ist mein Jägersmann". Es kam zum Wortwechsel, und sie gingen zerstritten auseinander. Noch einige Male traf der Förster sowohl die eine als auch die andere Jungfer aus dem einen Teil.
Dann aber, es war ein schöner Spätsommertag gewesen, trafen beide zufällig beim Futter holen aufeinander. Zunächst wurden nur Worte gewechselt, die in einen heftigen Streit ausuferten. Welche von beiden als Erste den Tragekorb von der Schulter warf und mit der Sichel auf die Andere einhieb, weiß man nicht. Beide hieben voller Hass mit ihren Sicheln aufeinander los, bis sie schließlich ermattet zu Boden fielen und verbluteten. Später wurde dort an dieser Stelle ein Sühnekreuz gesetzt, was nun bereits stark verwittert ist. Der Wanderer, der an dieser Stelle verharrt, wird vielleicht an Schillers Worte aus dem Lied von der Glocke denken:
Gefährlich ist's den Leu zu wecken.
Verderblich ist des Tigers Zahn.
Doch der Schrecklichste in seinem Schrecken
ist der Mensch in seinem Wahn.
Da werden Weiber zu Hyänen
und treiben mit Entsetzen Scherz.
Kommentar zum Sühnekreuz auf Google Maps: “Was aus dem ‘Streitobjekt’ wurde, ist nicht bekannt.”
Aus der Sammlung: Geschichten, Sagen und Erzählungen aus dem Einetal,
von Gerhard Dörfer, Haldensleben
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